Tour d' Energie 2017

Frust und Spaß - Gemischte Gefühle beim Saisonauftakt

Eine sehr gute Vorbereitung, eine problemlose Anreise und trockene Bedingungen am Renntag. Die Zeichen hätten nicht viel besser stehen können für den Saisonauftakt in Göttingen. Doch am Tag selbst lief dann alles anders, als ich das erwartet und gehofft hatte.

Startprobleme

Noch bevor es losging, machte ich schon den ersten Fehler. Zu dritt standen wir im Startblock A und da wir relativ spät am Start ankamen, war der Block schon ziemlich voll. Wir stellten uns also mitten in den Block und hatten somit schon ca. 150 Fahrer vor uns. Alle Sponsoren-Teams um Strassacker, Merkur Druck, Leeze, Drinkuth etc. standen natürlich in den ersten Reihen. So blauäugig wie ich war, habe ich gedacht, dass ich schon ein paar Plätze beim Start rausfahren könne, immerhin sind die ersten Kilometer neutralisiert, doch das war weit gefehlt. Man muss dazu sagen, dass ich nicht der beste "Durch-das-Feld-Wuseler" bin und häufig zu viel Respekt vor dem engen Fahren im Peloton habe.

Es ging, wie schon erwähnt, mit einer neutralisierten Phase los, doch das Feld wurde ziemlich früh, sehr schnell und so zog sich auf der einen Seite das Feld schon früh auseinander, auf der anderen Seite wurde es aber bei engen Stellen auch ganz schnell wieder ganz eng. Ein unrhythmischer Start und nach 10 Minuten, war es dann auch schon passiert.

Ende der Neutralisation - Auflösung des Feldes

Dass das Feld so schnell auseinander reißen würde, damit hatte ich wirklich nicht gerechnet. Nach der neutralisierten Phase, noch vor dem ersten Anstieg, konnte ich vor mir sehen, dass die erste große Lücke hinter der Spitze entstand und ich war noch viel zu weit weg. Damit war nach nur wenigen Kilometern klar, dass ich nicht mehr unter den ersten 50 Fahrern landen würde und somit alle Hoffnungen auf eine gute Platzierung begraben konnte.

Der zweite Streich kommt zugleich

Die erste Lücke kaum entdeckt, riss schon die Nächste vor mir. Diesmal wohl eher durch einen Sturz, da es vor mir plötzlich ziemlich laut wurde und ich einen kurzen Ausflug auf die Wiese machen musste, damit ich nicht auch noch auf dem Asphalt landete. Die nächsten 30 Fahrer fuhren davon, ohne, dass ich es beeinflussen konnte.

Die ersten Hügel

An den ersten kleinen Hügeln wurde es ziemlich schnell und mein Versuch eine Aufholjagd zu starten, war auch nicht gerade wenig kräftezehrend. Als dann auch noch mein Vordermann einen Platten hatte, fielen wir mit vier Fahrern aus der Gruppe raus. Ich war allerdings froh, dass ich meinem Vordermann nicht in sein Rad fuhr. Trotzdem ärgerte ich mich wie verrückt und versuchte noch die Lücke zu schließen. Doch nachdem wir nur noch zu zweit waren und die anderen beiden Fahrer schon aufgegeben hatten, wurde die Verfolgungsjagd zu seinem sinnfreien Unterfangen.

Die Laune auf dem Tiefpunkt

Ich schrie durch die leere Landschaft und schlug wie verrückt auf meinen Lenker, weil ich mich so ärgerte. Ich ärgerte mich nicht darüber, dass ich auch ein wenig Pech hatte, sondern darüber, dass ich Idiot nicht in der Lage gewesen war am Start schon direkt die Plätze gut zu machen, die ich gebraucht hätte um jetzt ganz vorne in der Gruppe mit zu fahren. Patrick und Basti, die im Startblock noch neben mir gestanden hatten, hatten nämlich den Sprung geschafft. Doch ich war mal wieder zu schissig auch einfach mal drauf zu halten und mich auch in kniffligen Situationen durch das Feld zu tanken. In dem Moment, als ich realisierte, dass ich schon vor dem Rennen den Fehler begangen hatte mich nicht nach ganz vorne zu stellen, war ich so frustriert, dass ich am liebsten vom Fahrrad gestiegen wäre. Ich habe mich wirklich geärgert, dass ich mich schon für drei weitere Rennen angemeldet habe und das obwohl ich einfach für das Fahren im Peloton eigentlich völlig ungeeignet bin. Ich habe schon mein ganzes Training in Frage gestellt und habe gedacht, ok dein Form ist gut, aber du bist einfach fahrerisch nicht dazu in der Lage so etwas hier durch zu ziehen, dann brauchst du auch nicht so viel zu trainieren und kannst mehr Zeit mit deiner Familie und deinen Freunden verbringen. Ich guckte meinen Begleiter vom Team Deutsche Kinderkrebsstiftung an und er fragte mich nur: "Meinst du das macht noch Sinn, dass wir zu zweit versuchen dort hinter her zu fahren?" Ich schüttelte nur den Kopf und sagte: "Nein das schaffen wir nicht!" Somit legten wir kurz die Beine hoch und warteten auf die nächste Gruppe.

Neue Gruppe - neue Chance

Zum Glück dauerte es nicht lange, bis die Gruppe uns "aufnahm" und ich eine Hand auf meinem Rücken spürte. Es war Lukas. Lukas ist ein befreundeter Radkollege aus Köln und war mit uns zusammen angereist. Er war allerdings aus Startblock B gestartet. Auf der einen Seite war ich natürlich total froh ein bekanntes Gesicht zu sehen, auf der anderen Seite auch ziemlich gefrustet, dass mich nun schon die ersten B Starter eingeholt hatten. Doch darüber konnte ich mir nicht lange Gedanken machen. Die Gruppe war sich leider sehr uneinig, was die Tempoarbeit anging und als ich vorne im Wind war und merkte, dass niemand Anstalten machte mit zu helfen, beschloss ich, erst einmal auch nichts mehr zu machen.

Hemeln steht vor der Tür

Bis Hemeln rollten wir ziemlich entspannt weiter und ich schaute nur auf meinen Tacho und dacht, oh man, so einen Schnitt bei einem GCC Rennen hattest du schon lange nicht mehr. Leider war das jedoch nicht positiv gemeint. Ich fand mich aber langsam mit der Situation ab und öffnete das erste Gel, da ich nicht genau wusste, mit welchem Tempo der 5,4km lange Anstieg von Hemeln gefahren werden würde. Im Ort selbst, am Fuße des Berges, fuhr ich wieder ein bisschen weiter nach vorne, da ich auf jeden Fall die Chance nutzen wollte, falls eine kleinere Gruppe den Absprung wagte. So war es dann nachher auch. Zusammen mit einigen Fahrern des Team Deutsche Kinderkrebsstiftung, Geschenke-Online, PainTrain und Roeltgen rissen wir das Feld auseinander uns bildeten eine kleinere Gruppe, die etwas zügiger den Anstieg hochfuhr. Nicht mehr weit von uns entfernt sahen wir nun auch schon die erste Gruppe mit Fahrern vom Teams wie Leeze und Strassacker und ich merkte, dass es die Gruppe sein musste, bei der ich zuletzt noch versucht hatte wieder den Anschluss zu bekommen. Die ca. 15 Mann starke Gruppe fuhr ganz ordentlich den Berg hoch und Niklas Frambach vom Team Strassacker führte die Gruppe an. An der Spitze des Berges hatten wir zwar unsere Gruppe noch etwas verkleinert, doch leider war Lukas nicht mehr dabei und auch die Gruppe vor uns konnten wir nicht einholen. In der Abfahrt fuhren wir dann jedoch ziemlich schnell auf die Gruppe auf und schlossen uns zusammen.

Ausreißversuch am hohen Hagen

In Richtung hoher Hagen sammelten alle noch einmal die Kräfte und wir steuerten auf die 75 Kilometer Marke zu. Dransfeld ist der Beginn des Anstiegs zum hohen Hagen und als wir den Ort durchquerten fuhr ich wieder an die Spitze der Gruppe. Ich wusste, dass es hier noch einmal ziemlich schnell werden könnte und wenn nicht, dass ich die Chance hatte etwas zu riskieren.

Plötzlich donnerte Dino Moll vom Team Kinder Krebsstiftung an mir vorbei. Aber in so einem Tempo, dass ich sofort wusste, ok, das macht keinen Sinn dort versuchen hinterher zu kommen. Cool wäre es gewesen, wenn wir uns vorher kurz abgesprochen hätten, denn wir kennen uns aus der Kölner Radsportszene und gemeinsam die Chance genutzt hätten. Kurz darauf versuchte ich dann mein Glück, zwar nicht ganz so flott, wie es Dino gemacht hatte, immerhin holte er sich damit die Bergwertung (einen riesigen Glückwunsch an dieser Stelle) ich fuhr aber so kontinuierlich etwas schneller als Gruppe, dass mein Ziel, alleine oben anzukommen, glückte.

Abfahrt Hoher Hagen

Die nicht ganz ungefährliche Abfahrt vom hohen Hagen kannte ich schon aus den letzten Jahren und ich war froh, dass ich sie sowohl alleine, als auch bei trockener Straße nehmen konnte. Mir gefiel plötzlich der Gedanke der Gruppe ein wenig weg zu fahren und somit ging ich ein hohes Risiko bei der Abfahrt und genoss es in den Kurven zu liegen. Das Glück schien in diesem Moment auf meiner Seite zu sein und der Wind kam die ersten Kilometer, auf dem Rückweg nach Göttingen, ziemlich von hinten. Ich schaute mich um und merkte, dass die Gruppe nicht wirklich näher kam und ich versuchte, ohne mich völlig kaputt zu fahren, die Distanz beizubehalten. Nach 5 Kilometern merkte ich aber, dass der Abstand schrumpfte und die Jungs hinter mir ziemlich Gas gaben und fleißig rotierten. Ich hatte also keine Chance und es blieb beim Versuch davon zu kommen.

Die letzten Kilometer

Zurück in der Gruppe beteiligte ich mich direkt wieder an der Tempoarbeit und man merkte, dass jeder nun bemüht war noch einmal etwas mehr zu geben, um vielleicht doch noch eine halbwegs solide Leistung zu zeigen. Der Wind wechselte nun stetig und teilweise war es so, als würden wir fast stehen. Gut fünf Kilometer vor dem Ziel fuhr Niklas Frambach vom Team Strassacker nach vorne und setze sich ein wenig von der Gruppe ab. Ich folgte und daraufhin folgten zwei weitere Fahrer, die sich dann noch von uns absetzten. Mit einem Fahrer des Teams Rheinhessen nahm ich die Verfolgung auf und nach kurzer Zeit gesellten sich zwei Fahrer des Teams Kinderkrebsstiftung dazu. Wir holten den Fahrer vom Team Roeltgen und Geschenke-Online ca. 3 Kilometer vor dem Ziel ein und ich peitschte die sechs Mann starke Gruppe noch einmal an alles zu geben, damit wir uns nicht mehr einholen ließen, denn ich wusste, dass ich im Sprint völlig untergehen würde. So fuhren wir mit letzter Kraft der Gruppe weiter davon und merkten, dass wir es schafften. Ich setzte mich wieder an die Spitze der Gruppe, als wir auf eine Straßengabelung zufuhren. Ich entschied mich für links, merkte dann aber, dass es falsch war und wir fuhren gerade auf ein rot-weiß gestreiftes Absperband zu. Die Strecke war an dieser Stelle nicht ordentlich abgesperrt und somit gingen wir alle in die Eisen und mussten über eine Wiese ausweichen. Auf dem letzten Kilometer noch so eine Panne und ich hatte auch noch die Gruppe auf den falschen Weg geführt. Ich brüllte allen Frust aus mir heraus und versuchte so schnell wie möglich wieder auf die Strecke zu kommen. Ich schaute nach hinten und sah, dass die Verfolgergruppe wieder in Sichtweite war. Ich drückte noch einmal voll in die Pedale und wir retteten uns vor der Gruppe vereinzelt ins Ziel. Ich wäre sehr gerne noch aus der Ausreißergruppe gesprintet, auch wenn ich wohl den letzten Platz gemacht hätte, aber einfach für das Feeling, hätte ich es gerne gemacht. So blieb es mir verwehrt, genauso wie eine gute Platzierung.

Am Ende ist Platz 138 geworden. Ein deutlicher Rückschlag nach dem so erfolgreichen Saisonende 2016. Nichtsdestotrotz war es ein ereignisreiches und auch spaßiges Rennen. Nachdem ich mich mit der Platzierung abgefunden hatte, konnte ich das Rennen wieder genießen.

Fazit

Eine Woche vor dem wohl härtesten Rennen der Saison in Frankfurt, fühle ich mich fit und habe wieder dazu gelernt. Alle Scuderisti sind sturzfrei durch das Rennen gekommen und haben beachtliche Leistungen gezeigt. Gerade Thomas, der aus Block E gestartet war und noch vor mir gelandet ist (Netto-Zeit) war unglaublich gut und auch die anderen Scuderisti waren bärenstark.

Patrick, der mit Platz 41 die beste Platzierung von uns erreicht hat, hat meinen größten Respekt verdient, da er schon vor dem Rennen große Knieprobleme hatte und nun auch wieder damit zu kämpfen hat. Er hat versucht sich ganz vorne mit den großen Teams zu messen und hat viel gearbeitet. Ihm wurde es leider verwehrt unter die Top 20 zu fahren.

Eine gute Besserung richtet sich an den/die gestürzten Fahrer, die ich teilweise gesehen habe. Ich hoffe es ist niemand ernsthaft verletzt und alle sitzen bald wieder auf dem Renner!

 

Video

Ein kleiner Zusammenschnitt des Rennens auf Youtube:

 

 

Radsportliche Grüße

Healthy Roadbike