Tag 19 Whakamaru - Turangi
Das Leben als Radfahrer kann so hart sein
Mehr als nur 92 Kilometer mit 1.300 Höhenmetern.
Heute will ich mal nicht von meiner Reise berichten bzw. von dem, was ich alles erlebt habe, sondern heute will ich mal auf die Tränendrüse drücken und in meinem Selbstmitleid versinken. Alter Kiwi, was für eine Tour habe ich mir da heute angetan.
In Whakamaru hatte sich schon am Abend das Wetter stark verändert und so fegte der Wind durch die Nadelbäume über uns. So ging es auch am nächsten morgen weiter und der Wind kam, natürlich aus dem Süden bzw. Südosten. Also genau die Richtung, in die ich heute morgen aufgebrochen bin.
Ich mein 92 Kilometer sind jetzt für ne Tagesetappe mit Gepäck nicht super viel, aber auch nicht super wenig. Die 1.300 Höhenmeter machen das Ganze natürlich nicht einfacher, aber als Fliegengewicht, habe ich gegen Steigungen ja nicht unbedingt etwas.
Doch auf den ersten 15 Kilometern habe ich fast gedacht ich komme an diesem Tag nicht in Turangi an. Nachdem ich mich von Johannes verabschiedet habe und wir noch ein Rennradpärchen getroffen haben, die mir größten Respekt aussprachen, dass ich die Strecke überhaupt in Angriff nehmen würde, fuhr ich los.
Das Wetter war neben dem starken Wind, auch noch recht kühl. Aus Whakamaru raus, begann sofort eine Baustelle und so wurde aus Asphalt eine Schotterstraße. Es ging direkt bergauf und der Wind kam genau von vorne. Ich hatte immer zwischen 8 und 18 kmh auf dem Tacho und so brauchte ich für die ersten 15 Kilometer eine Stunde. Wenn das so weitergehen würde, dann würde ich für die Strecke über 6 Stunden brauchen und mein Puls war bei einem Durchschnitt von knapp unter 160. Das wäre nicht nur körperlich, sondern auch für den Kopf eine echte Herausforderung. Zu allem Überfluss begann es auch noch zu regnen und ich spielte schon die Alternativen in meinem Kopf durch:
Einen anderen Campingplatz direkt an der Route gab es nicht. Also eine andere Route. Ok warten wir mal ab, wie es die nächsten Kilometer weitergeht und dann gehts vielleicht doch in eine andere Richtung. Aber dann geht mein Zeitplan schon wieder nicht auf. So ein Mist, was mache ich jetzt.
Ich fuhr erst einmal weiter und siehe da, es klarte auf. Die Sonne war schonmal wieder zurück.
Ok jetzt hast du schon 25 Kilometer und die Straße ist sehr kurvenreich, das bedeutet, du hast nicht immer Gegenwind. Der Durchschnitt ist auch schonmal auf 17 kmh gestiegen.
Es ging munter weiter. Der Durchschnitsspuls sank wieder. Tendenz 150.
35 Kilometer hast du geschafft. Bei Kilometer 50 machst du eine Pause. Vielleicht findest du noch einen kleinen Shop oder so, wo du dir ein kaltes Getränk holen kannst. Komm noch den einen Berg, dann hast du die 40 voll und es sind nur noch 10 bis zur 50. Für 10 Kilometer brauchst du ca. 45 Minuten. 45 Minuten sind gut zu schaffen. Erst dann gönnst du dir eine Pause.
Die Armlinge zog ich langsam hinunter, denn es war wirklich warm. Die Weste flatterte schon seit einige Kilometern im Gegenwind und schlug immer wieder auf meinen Rücken.
Wenn du den Berg hast, dann fährst du noch runter und dann hast du 50 voll. Dann hast du nur noch 42 Kilometer, also schon mehr als die Hälfte geschafft. Du kannst auch ganz langsam fahren, du hast genug Zeit. Mach dir keinen Stress. Versuch den Wind auszublenden.
Kilometer 50 erreicht. Zwei Müsliriegel, einen Apfel und eine Banane. Die erste Trinkflasche war fast leer. Ein bisschen dehnen und weiter gehts.
Du bist gut in der Zeit. Haben erst 12 Uhr durch. Fahr den Berg einfach in deinem Rythmus und dann gehts locker in die Abfahrt. Bei Kilometer 70 kommt auch schon der Abzweig, dann bist du fast in Turangi. Wenn es doch noch eine Tankstelle oder so gibt, dann gönn dir noch einen weiteren Stop.
Nach 60 Kilometern und fast 1.000 Höhenmetern.
Guck! Jetzt hast du schon 1.000 von 1.300 Höhenmetern und gleich kommt der Abzweig nach Turangi. Ah super es ist flach und der Wind kommt mal nicht von vorne. Ah ok Mist, jetzt doch wieder. Aber es geht runter. Immer wenn es runter geht, steht die nächste Steigung an, aber egal, vielleicht ist es da nicht so windig.
Abzweig nach Turangi bei Kilometer 70 leichter Richtungswechsel.
Guck jetzt hast du es gleich und wir haben noch echt früh. Kannst du die 20 Kilometer, ja eigentlich sind es 22, aber machen wir mal 20 draus, ganz entspannt fahren. Hui da geht es aber hoch. Fuck, der nächste Anstieg. Ich dachte, es kommt nicht mehr viel Steigung.
Nach 78 Kilometern. Letzter Anstieg ist geschafft. Es geht auf eine lange Gerade.
Yes, die Höhenmeter habe ich so gut wie geschafft. Oh nein, auf der Geraden muss ich jetzt fahren. Hier kommt der Wind doch voll von vorne. Ich brauche erst noch ne Pause. Auch wenn es nur noch 14 Kilometer sind, aber ich bin fritte. Zwei Riegel bitte.
Die letzte lange Abfahrt 10 Kilometer vor dem Ziel.
Yes, jetzt geht es nur noch bergab und dann bist du schon da. Mh 10 Kilometer bergab...so weit oben bist du nun auch nicht. Hui, halt lieber mal den Lenker fest, wenn du hier heile herunterkommen willst bei dem Wind. What treten bei eine Abfahrt um über 20 kmh zu kommen?? Oh man ich bin durch.
Die letzten 6 Kilometer vor Turangi. Flach geht es durch die Ortschaften und ich passiere einen anderen Bikepacker.
Hui, entweder ist er schon so lange unterwegs, dass er sich den Bart während der Fahrt hat wachsen lassen oder er sah schon vorher aus wie ein Vikinger. Aber du bist mega an ihm vorbei gedüst. Du bist so gut Junge und das nach knapp 90 Kilometern. Scheiß jetzt einfach mal auf den Gegenwind und gib nochmal alles. Dann gibt es gleich ne heiße Dusche.
Nach 92,2 Kilometern am Campingplatz total platt angekommen. Direkt mal einen Sonderpreis für eine Cabin herausgeholt und ab unter die heiße Dusche. Was für ein Tag. Ich brauche erstmal ne Pause. Das Tongariro Crossing, die Wanderung die ich hier geplant habe, fällt wegen des schlechten Wetters aus, doch beim Abendessen treffe ich drei Mädels, die mit dem Auto hinfahren wollen und es mal probieren wollen. Ich springe mit auf und so geht es morgen früh ab zum Vulkan. Doch kein Ruhetag.
Radsportliche Grüße
Healthy Roadbike